Mein Abenteuer in Wien

Schwester Svenja Hummel hat vom 16. März bis zum 27. April 2013 ein Praktikum im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien gemacht.

Das Abenteuer beginnt

5.40 Uhr an einem Samstagmorgen in Hamburg. In der S-Bahn Richtung Flughafen sitzen hauptsächlich vom Feiern erschöpfte Jugendliche, ein paar wenige Reisende mit Koffern… und eine aufgeregte junge Frau mit einem vollgestopften Trekkingrucksack. Er trohnt auf dem Sitzplatz neben mir und leicht klammere ich mich an meinen einzigen Begleiter. Jetzt gibt es nur noch uns beide. Nur wenig fühle ich mich verbunden mit dem kichernden Ehepaar, das mir schräg gegenüber sitzt, denn meine Reise wird kein Urlaub sein. Die Stadt von Mozart und Hayden wird für die nächsten sechs Wochen Arbeitsplatz, Wohnsitz und Vergnügen zugleich sein. Welches zwei-Wochen-Reiseziel kann da bitte mithalten?
Es wird eine Bindung entstehen, die ein innigeres Gefühl hinterlässt: Wien mach dich bereit, ich komme!

Vorbereitungen auf den Einsatz

Als ich, nach leichten Schweißausbrüchen bezüglich des Gewichts meines (sehr schweren!) Gepäcks, Check-in und Sicherheitskontrolle, dann endlich im Flugzeug sitze, kann ich es kaum glauben: all die Organisation, alle Vorbereitungen haben ein Ende, jetzt gibt es kein Zurück mehr! Meine Aufregung hat ihren Höhepunkt erreicht, was durch das flaue Gefühl in der Magengrube beim Abheben des Fliegers zusätzlich unterstrichen wird.

Noch genau kann ich mich an die Zeit vor ungefähr 1,5 Jahren erinnern: im ersten Ausbildungsjahr erfuhren wir von der Möglichkeit, ein Auslandspraktikum absolvieren zu können und bereits damals war mir klar: „Alles mitnehmen, was geht. Solche Möglichkeiten wollen genutzt werden!“

Der Weg vom Willen, über die Idee, bis hin zur Umsetzung und Verwirklichung war lang, wobei vor allem die Sache der Finanzierung geklärt und ein Praktikumsplatz in der Ferne gefunden werden musste. Doch ich fand eine wunderbare Unterstützung, die mir damals meine Schulleiterin empfahl: die Agentur Arbeit&Leben Hamburg. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, das sogenannte „Da-Vinci-Stipendium“, das aus einem EU-Topf voller Fördergelder entspringt, an junge Menschen aller Berufsgruppen zu vermitteln. Grundidee dahinter ist die Förderung der interkulturellen Zusammenarbeit der europäischen Länder.

Wer gefördert werden will, muss allerdings zunächst ein wenig Bürokratie über sich ergehen lassen und daher kam auch auf mich zunächst ein Haufen Papierkram zu. Die wichtigste Voraussetzung ist natürlich das grüne Licht seitens der Krankenpflegeschule, sowie des Arbeitgebers, in meinem Fall das Bethesda Krankenhaus in Bergedorf. Aber weil Bürokratie immer öde ist, an dieser Stelle zurück zum „Day of the Day“. Gerade liegen sämtliche Formalitäten hinter mir, denn ich stehe fasziniert am Wiener Westbahnhof und schnuppere die Wiener Großstadtluft – eine Mischung aus Abgasen, Fast Food und Parfüm – irgendwie sind sich da doch die meisten Großstädte ähnlich.

Mein erstes Wochenende verbringe ich noch in einem 12-Betten-Mädchenschlafsaal eines schnuckeligen Hostels in der Nähe des Bahnhofes, da ich erst am Montag mein Appartment auf dem Krankenhausgelände beziehen kann. Da sich in einem solchen Schlafsaal ein Multi-Kulti-Mix trifft, kommt es zu interessanten Gesprächen mit Menschen aus London, Australien, Spanien und Frankreich – die weite Welt ist doch einfach nur spannend!

Ankunft im Krankenhaus

Montagmorgen um 7.30 Uhr wird es dann ernst – den Weg zum AKH Wien habe ich glücklicherweise bereits am Sonntag ausgekundschaftet, was allerdings nicht verhindert, dass ich mich wenige Meter vor dem Büro der Oberschwester noch einmal gnadenlos verlaufe.

Dieses Krankenhaus ist für mich behütete Bethesda-Schülerin wirklich eine Herausforderung! Ich musste zweimal hinschauen, als ich in der Eingangshalle einen Supermarkt, eine Post, eine Schnellimbiss-Bude (!), ein Kiosk, einen Blumenladen und… ungelogen…. ein Starbucks-Café entdeckte. Eine Stadt für sich! Nun… irgendwann hatte ich es dann auch geschafft. Der Dschungel aus langen grünen Gängen war überwunden und ich wurde von der Oberschwester der Gefäßchirurgie in Empfang genommen. Dort werde ich mich also die nächsten sechs Wochen von meiner möglichst besten, pflegerischen Seite zeigen: die Gefäßchirurgie im niedlichen 20. Stock des AKH Wien wartet auf mich! Eben mal so die Stufen nehmen, wie ich es in Bergedorf gerne getan habe, kommt mir dabei gar nicht erst in den Sinn!

„Hallo ich bin Svenja, Schülerin aus Deutschland“, ist dann erstmal angesagt. Viele neue Gesichter, tausende von Namen, Eindrücken und vor allem der unvergleichliche Wiener Dialekt prasseln auf mich ein: ich stolpere mitten ins bunte, morgendliche Stationstreiben. Zum Glück ist meine Praxisanleiterin sofort zur Stelle und weist mich erstmal in Ruhe ein. „Svenja, die grünen Unterlagen heißen hier ´Tackerl´“ – die wichtigste Grundlage ist also sofort geschaffen. Was ich aus Deutschland als „Moltex“ oder niedlich „Molli“ kenne, ist hier also das „Tackerl“ und da es wohl zu dem wichtigsten Handwerkszeug einer Krankenschwester gehört, bin ich sehr froh, dies gleich zu Beginn kennen zu lernen.

Die größte Überraschung wartet allerdings auf mich, als wir uns in den Pausenraum setzen, um meinen Dienstplan gemeinsam zu schreiben (auch das kenne ich aus Deutschland nicht so, denn dort schreibt die Stationsleitung den Dienstplan und als Schüler muss man diesen am besten telefonisch erfragen): die Schwestern in Österreich haben 12-Stunden-Schichten!
Es wird mir freigestellt, ob ich mich an das Zwei-Schichten-System (Tag- und Nachtdienst) anpassen, oder lieber die gewohnten, deutschen acht Stunden ableisten möchte. Da ich mit der Absicht ins Ausland gegangen bin, das Fremde kennen zu lernen und möglichst viel Unbekanntes auszuprobieren, habe ich diese Herausforderung natürlich angenommen.

Nach einer halben Stunde halte ich dann meinen, perfekt auf den meiner Praxisanleiterin abgestimmten Dienstplan in den Händen. So viele freie Tage dazwischen bin ich überhaupt nicht gewohnt, obwohl mein insgesamt zu erreichendes Stundenkontingent nicht weniger ist als auf den deutschen Stationen. Grund dafür sind natürlich die 12-Stunden-Schichten, durch die man mit drei Arbeitstagen pro Woche sein Wochensoll bereits ausgefüllt hat. Genug Freizeit also, um die Stadt zu erkunden! Ein Wochenende habe ich mir bewusst freigehalten, da ich noch Besuch aus meiner Heimat Heidelberg erwarte. Außerdem steht eine Nachtschicht auf dem Programm.

Ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag

Um einen Überblick zu geben, wie denn so ein 12-Stunden-Arbeitstag aussieht, hier ein ungefährer Tagesablauf (jeder weiß, dass es auf Station selten geordnet zugeht).

6:30 Uhr: Langsam trudelt der Tagdienst auf Station ein. Es herrscht ein reges Treiben: Kaffee wird gekocht und jeder bereitet sein selbst mitgebrachtes Frühstück vor. Da es keine Frühstückspause gibt, ist es wichtig, vor Dienstbeginn etwas im Magen zu haben.

6:45 Uhr: Die Dienstübergabe vom Nachtdienst an den Tagdienst beginnt. Mit dabei ist meistens die Stationsleitung (auf meiner Station ein „Er“) und seine Vertretung.

7:30 Uhr: Die Übergabe ist nun spätestens zu Ende. Die Stationsleitung teilt die Schwestern in Bereiche auf („kurze“ und „lange“ Stationsseite). Ich gehe bereits los und verteile die Anti-Thrombose Spritzen bzw. hänge die durchgelaufenen Antibiose-Infusionen ab.

8:30 Uhr: Jeweils zwei Schwestern sind für einen „Bereich“ zuständig. Ich bin natürlich dort eingeteilt, wo auch meine Praxisanleiterin ist. Wir gehen nun also im Team los, um Betten zu machen oder den Patienten bei der Körperpflege zu helfen. Das Frühstück erhalten die Patienten gegen 7.30 Uhr von einer Servicekraft, die für die Küche zuständig ist.
Gegen 9.00 Uhr startet dann parallel die Ärzte-Visite, die von der Stationsleitung begleitet wird. Hierbei findet ein reger Austausch zwischen Pflege und Ärzten statt, wodurch die Pflege gerade in Sachen Entlassung ein deutliches Mitspracherecht hat.

Zwischen 9:30 Uhr und 10:00 Uhr machen die Schwestern eine kleine Kaffeepause.

10:00 Uhr: Die Stationsleitung übergibt die Visite an die jeweiligen Bereichsschwestern. Diese arbeiten daraufhin die Kurven aus, dokumentieren die durchgeführten Pflegemaßnahmen bzw. bereiten die 14 Uhr-, 18 Uhr- und 22 Uhr-Infusionen vor.

Ca. 11:30 Uhr: Die Schwestern machen Mittagspause. Ich als Schülerin bediene in dieser Zeit die Klingeln oder fülle den Verbandswagen mit Materialien auf.

12:00 Uhr: Zeit für meine Pause

12:30 Uhr: Die Schwestern kümmern sich um die Wundversorgung, wobei ich als Schülerin assistieren oder gar selbst Hand anlegen darf.

14:00 Uhr: Die 14 Uhr-Infusionen werden vorbereitet, so dass diese vom Arzt angehängt werden können (auf manchen Stationen machen dies wohl auch die Schwestern). Danach gehe ich mit dem Blutdruckmessgerät über die Station und messe die Vitalzeichen der Patienten bzw. frage nach Stuhlgang.

15:00 Uhr: Dokumentation der erhobenen Vitalwerte. Gleichzeitig startet die Nachmittags-Visite, die mit einem Arzt und einer Bereichsschwester im Dienstzimmer direkt an den Fieberkurven durchgeführt wird.

15:30 Uhr: Ich schaue nochmal die Verbandswagen durch, da die Wundversorgung für diesen Tag meist abgeschlossen ist.

16:00-17:00 Uhr: Langsam kehrt Ruhe auf die Station ein und man hat Zeit, sich etwas hinzusetzen, Kaffee zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen. Nun fallen hauptsächlich Klingel-Gänge an.

17:30 Uhr: Vorbereiten der Infusionen.

17:45 Uhr: Die Abendrunde beginnt, wobei erneut Antibiose-Spritzen verteilt werden, eventuell Blutdruck nachgemessen wird und individuelle Bedürfnisse der Patienten erledigt werden. Danach erfolgt eine weitere Dokumentation, falls es Auffälligkeiten gab. Das Abendessen wird von der Servicekraft verteilt, doch Patienten die beim Essen Hilfe brauchen, werden von den Schwestern hierbei unterstüzt.

18:30 Uhr: Der Nachtdienst trudelt ein.

18:45 Uhr: Beginn der Übergabe vom Tag- an den Nachtdienst beginnt.

19:15 Uhr: Dienstende.

So sah ungefähr mein Stationsalltag aus. Ich konnte sehr viel Erfahrung in Sachen Wundmanagement sammeln, da die Stationsleitung ein ausgebildeter Wundmanager ist, der mir einige Dinge genauer erklärte. Häufig zu sehen war auf dieser Station die Vac-Therapie, die von den Schwestern selbst angelegt und gewechselt wurden.

Erfahrungen in der Donau-Metropole

In meiner freien Zeit entdeckte ich Wien mit all seinen Facetten, wobei ich glücklicherweise nicht alleine war, da ich einen belgischen Schüler auf meiner Station kennenlernte, der ebenfalls gerade einen Auslandseinsatz absolvierte. Von ihm erfuhr ich, dass die Gesundheits- und Krankenpflege in Belgien bereits ein Bachelor-Studiengang ist, der auch drei Jahre Universität im Wechsel mit praktischen Einsätzen umfasst, wobei die Studenten allerdings kein Geld verdienen.

Mein Appartment im Personalwohnheim befand sich direkt auf dem Krankenhausgelände, was einen täglichen Arbeitsweg von ganzen fünf Minuten bedeutete – ein Luxus, wenn man normalereweise auf Bus oder S-Bahn angewiesen ist! Die Wohnung beinhaltete alles, was man zum Überleben braucht, doch bot sie darüber hinaus auch nicht mehr – sprich: sehr spartanisch, aber sauber, was für mich die Hauptsache war. Mit ein paar Blumen und Kerzen ließ sich auch dort ein wenig Atmosphäre zaubern.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mich dieser Auslandseinsatz in vielerlei Hinsicht bereichert hat, vor allem kenne ich nun das Gefühl, einmal die „Ausländerin“ in einem Arbeitsverhältnis zu sein, mit allen sprachlichen (ja auch in Österreich gibt es die), technischen oder kulturellen Unterschieden. Der Einblick in ein anderes Gesundheitssystem und das Erfahren der Krankenpflege als „eigenständiger“ Berufszweig mit allen zusätzlichen Kompetenzen, besserer Bezahlung und dadurch auch höherem Ansehen, war sehr interessant für mich. Deutschland muss noch sehr viel Arbeit leisten auf dem Weg hin zur selbstständigen, selbstbewussten Pflege, doch ich denke, wir sind auf einem guten Weg und ich habe die Hoffnung, dass auch wir irgendwann mit anderen europäischen Ländern gleichziehen werden.


Schwester Svenja Hummel, Diakonieschülerin, Bethesda Krankenhaus Bergedorf, Hamburg


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