Eine „neue Tochter“ im Diakonieverein

Mo 20. Januar 2014

Der Evangelische Diakonieverein hat zum 1. November 2013 den Geschäftsbetrieb der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin übernommen. Ein Interview mit Kerstin Jüngling, der Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH

Bundesweit profiliert in der Suchtprävention

Der Diakonieverein hat zum 1. November 2013 den Geschäftsbetrieb der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin übernommen. „Die Landesdrogenbeauftragte des Berliner Gesundheitssenats ist an den Diakonieverein herangetreten und hat uns in der Entscheidung, die Trägerschaft zu übernehmen, bestärkt“, so Jan Dreher, Kaufmännischer Vorstand.

Mit verschiedenen Kampagnen und Aktionen zur Suchtprävention ist die Fachstelle bundesweit profiliert. Themenschwerpunkte sind Alkohol, betriebliche Suchtprävention, Glücksspiel, Elternbildung, Jugendschutz und Tabakprävention, um nur einige Beispiele zu nennen.

Arbeitsschwerpunkte

Wichtige Arbeitsschwerpunkte der Fachstelle sind die Schulung und Beratung sowie eine kontinuierliche Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Als Kompetenzzentrum sorgt die Fachstelle für einen ständigen Wissenstransfer und unterstützt u. a. mit Aufklärungsmaterial, aber auch mit Beratungsangeboten für Unternehmen, Jobcenter, Behörden,
Schulen, Sozialarbeiter und Streetworker vor Ort. Auf Messen, Kongressen und in den Medien ist die Fachstelle präsent und möchte so ein breites Publikum sensibilisieren.

Markenzeichen Vernetzung

„Unser Markenzeichen ist eine sehr gute Vernetzung. Es gibt im sozialen Bereich auch Konkurrenz. Wir setzen auf den Gemeinschaftsgedanken und arbeiten mit verschiedenen Partnern zusammen“, so Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH.

Eine gemeinnützige GmbH

Nachdem der bisherige Träger pad e.V. – Eltern und Jugendliche gegen Drogenmissbrauch – nach achtjähriger erfolgreicher Tätigkeit die Fachstelle für Suchtprävention aufgebaut hat, sind neue Vorstellungen zu ihrer weiteren Entwicklung entstanden. Insbesondere eine größere Eigenständigkeit und somit eine noch stärkere Wirksamkeit soll mit einer gemeinnützigen GmbH erzielt werden. Der Diakonieverein hat als Träger und Gesellschafter die Buchhaltung und Personalabrechnung übernommen. Auch Synergien im Seminarbetrieb und bei der EDV sind denkbar. Der Diakonieverein freut sich auf eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.

Das Interview mit Kerstin Jüngling

Wie sind Sie zur sozialen Arbeit gekommen?
Kerstin Jüngling: Während eines Freisemester in einem Findelkinderheim in Brasilien 1989/90 habe ich meine ersten Erfahrungen in der sozialen Arbeit gesammelt. Menschen helfen, die nicht so viele Chancen im Leben haben, das hat mich bewegt und mutig gemacht.

Mit Mut und einem offenen Herzen widmen Sie sich seither der Sozialarbeit. Das führte Sie sicherlich durch viele spannende und lehrreiche Zeiten. Wo waren Sie überall tätig?
Kerstin Jüngling: Nachdem ich Sozialarbeit mit dem Schwerpunkt Sucht- und Straffälligkeit an der staatlichen Hochschule Alice Salomon studiert hatte, begann ich 1995 meine erste Stelle im Sozialdienst Katholischer Frauen. Als Sozialarbeiterin arbeitete ich dort zwei Jahre zusammen mit drogenabhängigen Frauen im Gefängnis Plötzensee. Das war eine harte und gute Schule. Was mich ausmacht, hat dort begonnen. Dort lernte ich, wie wichtig in der sozialen Arbeit das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz ist. Sich auf andere Menschen einlassen, aber trotzdem eine gesunde Distanz zu den zum Teil schlimmen Schicksalen bewahren, das macht den Erfolg einer guten Sozialarbeit aus.

1997 wechselte ich als stellvertretende Leiterin in den Drogennotdienst Berlin, einer Einrichtung, die 365 Tage von 9 bis 22 Uhr ihre Türen für Suchtkranke geöffnet hat. Im Anschluss arbeitete ich bei der ziK gGmbH auch mit HIV-positiven Menschen. Im April 2000 nahm ich meine erste Leitungsstelle im Kontaktladen Yorckstraße an. Bis zu 80 Klienten am Tag, fast nur Männer, die schwer drogenabhängig waren, gingen dort ein und aus. Auch als Streetworkerin war ich unterwegs und lernte die raue Szene, u.a. am Bahnhof Zoo, kennen. Rückblickend war das eine sehr intensive und manchmal auch sehr traurige Zeit. Viele Menschen, die ich kennengelernt habe, sind aufgrund des Drogenkonsums gestorben.

2002 übernahm ich die Leitung des Drogennotdienstes und habe mit dazu beigetragen, dass diese für viele suchtabhängige Menschen wichtige Einrichtung auf einem guten Weg bleibt. In dieser Zeit machte ich die Erfahrung, dass man nur gemeinsam stark ist und etwas aufbauen kann. Als Bereichsleiterin war ich verantwortlich für sieben ambulante Einrichtungen und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Als im Sommer 2005 in Berlin, als letztem Bundesland in Deutschland, eine Fachstelle für Suchtprävention gegründet werden sollte, bewarb ich mich auf die Leitung und führe seitdem erfolgreich die Geschäfte. Mit der Fachstelle hatte ich zum ersten Mal die Chance, etwas ganz Neues aufzubauen. Zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in der Fachstelle und in angrenzenden
Projekten in der Mainzer Straße 23, mitten im Kiez Berlin-Friedrichshain.

Was ist die am meisten verbreitete Droge in Deutschland?
Kerstin Jüngling: Ganz vorn liegt laut Studien Alkohol. Immerhin 3,6 Millionen Kinder leben in Deutschland in Familien, in denen mindestens ein Elternteil (Alkohol-)abhängig ist. Aber auch bei Jugendlichen kommt es immer häufiger zu einem übermäßigen Konsum. Wir klären auf und geben Lehrern und Eltern Handlungsempfehlungen. In der Berliner Gemeinschaftskampagne „Na klar…!“ rufen wir zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol und illegalen Drogen auf. Ziel ist es, junge Menschen für die Risiken zu sensibilisieren und eine Diskussion zum Thema anzuregen.

Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit dem Diakonieverein?
Kerstin Jüngling: Die christliche Ausprägung des Diakonievereins sowie ein guter und wertschätzender Rahmen sind ideale Voraussetzungen für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Mit dem Diakonieverein als Träger haben wir eine große Stütze an unserer Seite, um Gutes zu tun und darüber zu sprechen.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?
Kerstin Jüngling: Ich bin eine positiv eingestellte Frau, die Menschen mag und den Kontakt zu anderen Menschen sucht. Ich nehme das Leben mit Humor. Im Berufsleben habe ich viele schlimme Schicksale durch Suchterkrankungen erlebt, das bleibt Antrieb für mich, Un-Abhängigkeit zu fördern!

Das Interview mit Frau Jüngling führte Melanie Wagner, Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Diakonievereins


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