Positionspapier

Do 9. Mai 2019

Positionspapier zur Situation der beruflichen Pflege in Deutschland anlässlich des 125. Jubiläums des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf e.V. am 11. April 2019 An Herrn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

zur Situation der beruflichen Pflege in Deutschland anlässlich des 125. Jubiläums des Evangelischen Diakonievereins Berlin-Zehlendorf e.V. am 11. April 2019
An Herrn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Weichen für die professionelle Pflege sind gestellt
Eine Vielzahl an Gesetzen und Verordnungen leitete in den letzten 5 Jahren einen politischen Kulturwandel in der Pflege ein. Durch den Pflegebedürftigkeitsbegriff, das Pflegepersonalstärkungs-Gesetz und das Pflegeberufegesetz wurden wichtige Weichen in Richtung einer angemessen Berücksichtigung der professionellen Pflege gestellt.

Durch den Pflegebedürftigkeitsbegriff haben zentrale pflegerische Prinzipien wie Ressourcen- und Personenorientierung sowie Gesundheitsförderung und Prävention einen neuen Stellenwert erhalten. Auch das neue Pflegeberufegesetz macht durch die Festschreibung von Vorbehaltsaufgaben deutlich – Pflege ist eine Profession.
Das Pflegepersonalstärkungsgesetzt greift mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG- System ab 2020 und der Einführung eines krankenhausindividuellen, bedarfsorientierten Pflegebudgets den Selbstverwaltungsgedanken auf, so wird auch der Aufbau von Pflegekammern auf Landes- und Bundesebene vom Gesundheitsminister unterstützt. Es wurde erkannt, dass Politik Ansprechpartner*innen aus der Pflege braucht, die stellvertretend für ihre Profession sprechen und die Entwicklung der eigenen Profession mitbestimmen.

Dass die Pflege oben auf der politischen Agenda angekommen ist, wird auch durch das gemeinsame Agieren von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege deutlich.

Pflegequalität
Die Ausbildungsoffensive und die zu entwickelnden konkreten Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege sind auch bezogen auf die Sicherheit der Pflegeempfänger*innen unabdingbar. Das schließt die Weiterentwicklung des unterfinanzierten Pflegesystems über die Pflegeversicherung ein. Seit der Einführung der Pflegeversicherung erfolgte keine regelhafte Anpassung der Leistungen. Jede Qualitätsverbesserung auch im Sinne von Personalschlüssel oder Vergütung wird vom Versicherten selbst getragen. Daraus resultieren Erhöhungen der Eigenanteile für Bewohner*innen von vollstationären Pflegeeinrichtungen oder höhere Zuzahlungen bzw. weniger Pflegeleistungen für die Versicherten in der ambulanten Pflege. Eine Verbesserung der Pflegequalität und Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Pflege ist dringend erforderlich.

Deprofessionalisierungstendenzen
Attraktivität und Image der Pflege lassen sich nicht durch Deprofessionalisierung verbessern.
Die Absenkung des Zugangsniveaus in der Pflege konterkariert professionelle Pflege ebenso wie die Anerkennung von Lehrenden an Pflegeschulen ohne Masterabschluss. In diesem Zusammenhang ist auch die Anlage 4 der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu nennen, in der die Kompetenzen für die staatliche Prüfung in der Altenpflege so festgelegt sind, dass sie gegenüber denen der Pflegefachfrau/ des Pflegefachmanns eine Absenkung des Kompetenzniveaus darstellen. Dies wird in keiner Weise der Verantwortung der Pflege im Langzeitbereich gerecht, sorgt für einen Imageverlust der ambulanten und stationären Altenpflege und wirkt gegen die beabsichtigte Durchlässigkeit der Arbeitsfelder. Auch die Situation der Pflegestudierenden verschlechtert sich, da ihnen keine Ausbildungsvergütung mehr zusteht. Diese Entwicklung gefährdet den akademischen Pflegenachwuchs, der dringend benötigt wird. Hier sind Nachbesserungen zwingend notwendig.

Pflegepersonalbemessung
Bedauerlich ist die Entwicklung durch den Erlass der Pflegepersonaluntergrenzen, der in der Praxis derzeit nicht wie im Gesetz intendiert umgesetzt wird. Mit Ausnahme der Intensivpflegestationen bleiben alle Vorgaben hinter dem zurück, was international für eine angemessene Versorgungsqualität und Patientensicherheit als erforderlich gilt.
Insbesondere in der Geriatrie bedingte die Umsetzung vielerorts eine Absenkung des bisherigen Niveaus, andernorts werden „nichtpflegesensitive“ Station personell ausgedünnt, um auf „pflegesensitiven“ Stationen die Mindestbesetzung – die einer Maximalbesetzung gleichgesetzt wird – zu ermöglichen. Diese Entwicklungen sind nicht mit der Zielsetzung der Konzertierten Aktion Pflege in Einklang zu bringen. Erforderlich ist ein Personalbemessungsinstrument, das sich an den tatsächlichen Pflegebedarfen orientiert und die notwendige Transparenz schafft. Hier kann bspw. die Pflegepersonal-Regelung von 1992, die nie umgesetzt worden ist, weiterentwickelt werden.

Vielschichtige Folgen des Fachkräftemangels
40.000 unbesetzte Pflegestellen führen dazu, dass immer mehr Leiharbeitskräfte zum Einsatz kommen. Diese können sich ihre Dienste aussuchen, sind von begleitenden Aufgaben entlastet und verdienen deutlich besser. Dieses Ungleichgewicht forciert die Abwanderungen aus Festanstellung in Leiharbeit. Neben besseren Arbeitsbedingungen für Pflegende ist es dringend erforderlich, für Leiharbeit in unterschiedlichen Settings eine monetäre Begrenzung zu verfügen.

Veränderung ist existenziell
Es bleibt zu hoffen, dass der jetzige politische Schwung beibehalten wird, denn es ist existenziell, Arbeitsbedingungen, Lohngefüge und Ausbildung attraktiv zu gestalten, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und das Versorgungsniveau der Pflege in Deutschland zu sichern.

Unser berufspolitisches Engagement
Die pflegepolitischen Entwicklungen zu begleiten, verstehen wir als Diakonische Gemeinschaft Berlin-Zehlendorf als unsere Aufgabe. Alle Diakonieschwestern und Diakoniebrüder unserer Gemeinschaft sind Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland (ADS). Wir sind im Deutschen Pflegerat und den Landespflegeräten sowie im Deutschen Bildungsrat vertreten und arbeiten aktiv in regionalen und überregionalen politischen und diakonischen Gremien mit. Sehr gerne stehen wir in diesem Rahmen zum Gespräch zur Verfügung.

Oberin Constanze Schlecht
Vorstandsoberin

Der Evangelische Diakonieverein Berlin-Zehlendorf e.V. wurde 1894 gegründet mit dem Ziel, Frauen in eine Berufstätigkeit zu bringen und Ihnen damit Selbständigkeit und finanzielle Sicherheit zu ermöglichen. Diese Frauen – Diakonieschwestern – konnten mit einer guten Ausbildung Menschen in Krankheit und sozialer Not unterstützen. Heute hat der Evangelische Diakonieverein rd. 1.800 Mitglieder, rd. 1.600 gehören der Diakonischen Gemeinschaft Berlin-Zehlendorf an.


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