Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

Kann man, soll man über ein „Ehrenamt“ schreiben, das man demnächst abgeben will? Diskussion mit Judith Blau, Redakteurin unserer Zeitschrift „Die Diakonieschwester“ am Telefon, Beratung mit der befreundeten Diakonieschwester. Ja, man kann und soll – als Bilanz von 25 Jahren freiwilligem Einsatz. Wer hat mich für den Bericht über mein „Amt“ eigentlich vorgeschlagen? Jemand aus der Diakonischen Gemeinschaft, die meint, das Thema sei wichtig. Ja, das ist es auch und hat mich 25 Jahre lang – vor allem dann im Ruhestand – sehr ausgefüllt.

Zu wessen Ehre macht man das? Man ehrt die Menschen, denen man alle Ehre abgesprochen hat in der dunkelsten Zeit in Deutschland, der Zeit von 1933 bis 1945. Man ehrt die Menschen, die durch Glück, Fügung, eigene Kraft überlebt haben und uns Nachgeborenen die Hand reichten. Man ehrt diejenigen, die nun neues „Jüdisches Leben 1700 Jahre“ fortsetzen in den über 130 jüdischen Gemeinden in Deutschland und in 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in der gesamten Republik.

Bei uns in Oldenburg besteht die Gesellschaft seit 60 Jahren. Im August 2022 haben wir Jubiläum gefeiert gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde und einem von ihr geschenkten Konzert nachmittags in der Lamberti-Kirche am Israel-Sonntag, dem 10. Sonntag nach Trinitatis. Dieser Sonntag hat eine lange Tradition in unserer Evangelischen Kirche, die leider auch thematisch mit der sogenannten „Judenmission“ auch noch in der Nachkriegszeit lange verknüpft war. Schmerzhaft müssen wir zugeben, dass auch unsere Kirche versagt hat, besonders – aber nicht nur – in den Jahren der Naziherrschaft. Im Vormittags-Gottesdienst in der Lamberti-Kirche mitten in der Stadt, konnte ich über 60 Jahre Oldenburger Christlich-Jüdische Zusammenarbeit berichten. Die Gesellschaft leistet Pionier-Arbeit. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand die Predigt über Matthäus 5, 17- 20 mit dem Jesus zugeschriebenen Wort „Meint nicht, dass ich gekommen bin die Tora und die Propheten außer Geltung zu setzen. Ich bin gekommen, um sie aufzurichten.“ Die Tora im Tora-Schrank ist bis heute der Mittelpunkt der Synagoge – und die Lesung aus ihr ist der Höhepunkt des Jüdischen Gottesdienstes. Wir haben sie in unsere Tradition aufgenommen als die „Bücher Moses“.

Bei der Feier des 30. Bestehens der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg an dem folgenden Sonntag im August 2022 wurde die restituierte 5. Tora-Rolle feierlich zu ende geschrieben und anschließend mit Gesang und fröhlichem Umzug unter dem Baldachin um das gesamte Wohnviertel getragen unter großer Beteiligung von Nachbarn und Freund*innen und Repräsentant*innen der Stadt und der Oldenburger Kirche. Unsere beiden Jubiläen gehörten zusammen – genauso wie unsere Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde der Nachkriegszeit zusammengeht und zusammensteht.

Das war das Zentrum meiner Arbeit – für die Jüdinnen und Juden in unserer Stadt da zu sein und den Menschen in unserer Stadt Judentum verständlich zu machen – auch zur Entlastung der wenigen Repräsentanten der Gemeinde, denn das Interesse am Jüdischen Leben in Oldenburg ist sehr groß – auch in der jüngeren Generation, die noch zur Schule geht. Meistens habe ich interessierte Gruppen und Einzelpersonen auf dem Jüdischen Friedhof in meiner Wohn-Nachbarschaft empfangen – Lern- und Gedenkort mit all den Namen ehemaliger jüdischer Familien aus Oldenburg wie in einem Archiv seit der Friedhofsgründung 1814. Bildung durch Information über Judentum und jüdisches Leben ist ein ganz wichtiges Element gegen jede Form von Judenfeindschaft.

Die Initiative für mein Tun ergab sich aus dem Kennenlernen von Nachfahren der Namensträger auf dem Jüdischen Friedhof, die bei uns als Nachbarn den Schlüssel zum Eingang holten. Daraus entwickelte sich zu einigen eine jahrelange Freundschaft; nicht nur im Hören auf ihre Überlebensgeschichten und schmerzhaften Erinnerungen. Dabei wurde ich zur Zeugin der Zeitzeugen, von denen viele bereits in die Ewigkeit gegangen sind. „Eingebunden in das Bündel der Lebenden“ – wie es auf jedem Grabstein in hebräischen Buchstaben heißt.

Übrigens: Die Jüdische Gemeinde zu Oldenburg mit ihrer jungen Generation ist integriert in Schulen und in die Universität und Stadtgesellschaft und wächst an Zahl.

Ein Beitrag von: Schwester Elke Heger


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