Do 21. März 2024
Ein denkwürdiges Jahr
Was sonst passiert in diesem denkwürdigen Jahr 1894? Wilhelm II. ist seit sechs Jahren deutscher Kaiser. In Frankreich wird Alfred Dreyfus wegen angeblichen Landesverrats verurteilt und deportiert. Der japanisch-chinesische Krieg beginnt, als dessen Folge Korea von China unabhängig wird. Rudyard Kipling veröffentlicht „Das Dschungelbuch“, und Rudolf Steiner publiziert „Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung“. Der „Bund Deutscher Frauenvereine“ (BDF) wird als Dachorganisation der bürgerlichen Frauenbewegung gegründet mit dem Ziel der Gleichberechtigung der Frau. Im Vorstand: unter anderem Helene Lange, die ein Jahr zuvor die Zeitschrift „Die Frau“ gegründet hatte und sich besonders für die Verbesserung des Mädchen-Schulwesens einsetzt. Fünf Jahre später wird der Deutsche Evangelische Frauenbund gegründet, der Mitglied im BDF wird. In der Frauenmode sind glatte weite Röcke, halblange Puffärmel und Schärpen angesagt.
Die Gründung der Eisenbahngewerkschaft in Trier markiert den Beginn der christlichen Gewerkschaftsbewegung in Deutschland. Das vom Architekten Paul Wallot entworfene Reichstagsgebäude in Berlin wird eröffnet, „L’apres-mi di d’un faune“ von Jaques Debussy erscheint, ebenso Anton Bruckners 9. Sinfonie. Louis Lumière erfindet den Kinematographen. Die Lokalanästhesie wird von Karl Ludwig von Schleich eingeführt. Baron Henri de Coubertin gründet das Komitee für die Olympischen Spiele. Ein Jahr später wird das Frauenturnen in der Deutschen Turnerschaft zugelassen.
Die Notwendigkeit diakonischen Handelns
Die historische Entwicklung des Evangelischen Diakonievereins und der Schwesternschaft seit 1894 ist in einer sehr lesenswerten und ausführlichen Schrift zum 125. Jubiläum dargelegt worden. Vieles wurde in den seither vergangenen Jahren bewegt, der Weg des Vereins führte über Berge und Täler. Heute, 130 Jahre später, ist die Welt eine sehr unruhige und wenig friedvolle geworden. Die Notwendigkeit diakonischen Handelns, die Triebfeder für die Gründung des Evangelischen Diakonievereins war, ist dabei nicht etwa geringer geworden – sie zeigt sich im Jahr 2024 natürlich in anderen Formen als vor 130 Jahren. Der Kern jedoch ist der gleiche: Tätigkeit für Menschen als Ausdruck des christlichen Glaubens, auf der Basis des christlichen Menschenbildes. Dafür steht der Verein mit allen seinen Aktivitäten für Menschen jeden Alters in ihren vielen schwierigen Lebenssituationen.
Persönliche Begegnungen und Gespräche
Seit über 17 Jahren, also nur über einen kurzen Zeitraum seiner langen Geschichte, begleite ich selbst aktiv den Evangelischen Diakonieverein. Am meisten haben mich bis heute dabei die persönlichen Begegnungen und Gespräche mit vielen Mitgliedern des Vereins und der Diakonischen Gemeinschaft sowie mit weiteren dem Verein verbundenen Personen in Arbeitsfeldern oder anderen Bereichen beeindruckt. Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass sich hier ein besonderer Geist zeigt, der – vor allem heute – leider nur an wenigen Orten außerhalb diakonischer Einrichtungen zu finden ist. Nachwuchsmangel beschäftigt auch uns im Evangelischen Diakonieverein und in der Diakonischen Gemeinschaft sehr; dieses Schicksal teilen wir mit vielen sozialen, aber auch anderen Berufen. Es gilt neue Wege zu finden, von denen einige vielleicht nicht unbedingt sofort auf begeisterte Zustimmung stoßen. Sie alle haben jedoch erleben können, dass manche guten Lösungen in Gemeinschaft und Tätigkeitsfeldern des Vereins bereits umgesetzt werden konnten.
Aus meiner Erfahrung bin ich davon überzeugt, dass insbesondere die ausgeprägte Fähigkeit der Mitglieder der Diakonischen Gemeinschaft zum tatkräftigen Weiterbau an dem Gebäudekomplex „Evangelischer Diakonieverein“, die sich in den vergangenen 130 Jahren bewährt hat, ihn auch in den vor uns liegenden Jahren weitertragen wird. Dr. Rudolf Hartwig, mein Vorgänger im Amt des Kuratoriumsvorsitzenden, schrieb 2019: „Ich erlebe den Diakonieverein als erfüllt von lebendiger Tradition mit der Bereitschaft des Aufbruchs zu neuen Ufern.“
Diese Wahrnehmung teile ich voll und ganz – und ich wünsche dem Evangelischen Diakonieverein, allen seinen „Töchtern“ und Arbeitsfeldern sowie der Diakonischen Gemeinschaft eine glückliche und sichere Reise zu diesen Gestaden der Zukunft.
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